Rückkehr einer Heideblume
Weit offener als Hudewälder und dichte Wacholderhaine präsentiert sich die Heide. Ohne Übertreibung lässt sich von ihr behaupten, dass sie die Menschen schon begleitet, seit diese die ersten Schafe und Ziegen domestiziert hatten. 5000 Jahre alt ist diese Landschaft – die einst viele Gegenden Europas zumindest optisch verband. Sie bedeckte nicht nur einen großen Teil des deutschen Nordwestens sondern einst mehr als die Hälfte Dänemarks und Teile Schwedens, Spaniens, Frankreichs und Englands. Doch diese Zeiten sind vorbei. Weniger als ein Prozent der alten Heiden blieben erhalten. Ein paar winzige Flecken auch im Emsland.
Meistens handelt es sich um sogenannte Calluna-Heiden, also Flächen die vom Heidekraut Calluna vulgaris dominiert werden. Heiden bieten wegen ihrer Nährstoffarmut und der extremen Bedingungen mit Wassermangel und großen Temperaturschwankungen nur vergleichsweise wenigen Tier- und Pflanzenarten Platz zum Überleben – die sind dafür aber –inzwischen im Bestand bedrohte - Spezialisten. Einer davon ist die Niedrige Schwarzwurzel (Scorzonera humilis). 50 Jahre hatte niemand westlich der Weser die zierlichen gelben Blüten dieser Blume zu Gesicht bekommen – bis im Frühjahr 2005 eine Schäferin auf dem Hümmling 65 blühende Exemplare entdeckte.
Sie bewirtschaftete mit 350 Schafen und Ziegen das Naturschutzgebiet „Männige Berge“ in Spahnharrenstätte. 4,8 Hektar Heide blieben auf dem kleinen abgelegenen Stück Emsland erhalten – an einem Ort, der für die Wiederentdeckung der streng geschützten und vom Aussterben bedrohten Schwarzwurzel wie geschaffen scheint: 3600 Jahre Kultur liegen unter den 65 Grabhügeln, die heute die „Männigen Berge“ bilden und damit seit Menschengedenken Zeugnis der Kultur weitgehend unbekannter „Ur-Emsländer“ geben. Dass aber auch die Heide selbst mit ihren Blumen und Tieren eine kulturelle Leistung des Menschen und seiner Haustiere darstellt, das ahnen Wenige.
Heidelandschaften, wie sie im Emsland typisch waren, sind nie von alleine entstanden. Der Mensch hat den Wald gerodet oder abgebrannt und später Rinder, Schweine, Schafe, Pferde und Ziegen auf die Lichtungen getrieben. Die fraßen die aufkeimenden Bäume – der Wald konnte nicht zurückkehren. Überall dort, wo es wenig Nährstoffe und Wasser gab und die Menschen gleichzeitig Plaggen hauten, also den etwas nährstoffreicheren Oberboden abtrugen, um ihn als Dünger auf dem Acker zu verwenden, wurde die Besenheide zur dominanten Pflanzenart und gab ganzen Landschaften ihren Namen.
In ganz Europa war das vor allem in den relativ küstennahen Landstrichen so. Die Menschen lebten von Schafen und Bienen. Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts änderte sich die Wirtschaftsweise rapide. Der Preis für Wolle verfiel dramatisch, die Einkommen sanken. Gleichzeitig wurde der Kunstdünger eingeführt, Heideplaggen benötigte man nicht mehr – die Heide wurde kultiviert.
Heute bieten die wenigen Reste der Heide seltenen Tieren und Pflanzen Lebensraum – dem nachtaktiven Ziegenmelker etwa, einem Vogel, der keineswegs Weidetiere belästigt, sondern nachts Insekten jagt. Oder einigen Wildbienen, die ihre Larven ausschließlich mit Heidepollen versorgen. Ohne Heide sterben sie aus.
Um das Verschwinden seltener Arten zu verhindern und nebenbei das schmucke Landschaftsbild zu erhalten, werden seit einigen Jahren zunehmend Anstrengungen zum Schutz der Heiden unternommen. Die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises hat deshalb an vielen Standorten zugewachsene Heiden wieder entkusselt, also von Bäumen befreit. Wo sich durch die Bäume zu viel Humus angesammelt hat, wird der Oberboden abgetragen Starmann: „Heide keimt nur auf Mineralboden, nicht auf Humus.“ Zusätzlich arbeitet die Behörde mit Schäfern zusammen, die dauerhaft für das Offenhalten der Heide und die Verjüngung der Pflanzen sorgen.
Die Schwarzwurzel selbst kommt zwar nicht ausschließlich, in Norddeutschland aber hauptsächlich noch auf Heiden vor. Sie bilden eines der letzten Rückzugsgebiete für diese botanische Rarität.
Auf den Mansenbergen, nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt in Groß Berßen, pflegt der Naturschutzverein Land Unter e.V. die Mansenberge, eine rund 8 Hektar große, inzwischen wieder sehenswerte Heide mit 65 Grabhügeln (www.bentheimer-landschaf.de).
Die großflächige Wiederherstellung der einstmals im Emsland typischen Sandlandschaft mit Heide, Wacholder und Flugsandfeldern betreibt die Stadt Lingen in den Wachendorfer Wacholderhainen zwischen Lingen und Dalum. Auf mehreren Dutzend Hektar lässt sich bereits wieder erahnen, welchen Zauber die Landschaft auf ihren Betrachter ausüben kann - und wie schwer es einst war, von ihr zu leben.
Wein weiteres Naturschutzprojekt mit Weidepflege betreibt der Naturschutzbund Nabu in einer Haseschleife bei Bokeloh. HIer kommen Rinder zum Einsatz. Gleiches gilt für die Emsschleife Rohheide bei Meppen (www.nabu-emsland.de).